Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil,
sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Dr. Philippi,
sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach,
mit diesem offenen Brief möchten wir Sie über die aktuellen Vorgänge im Rahmen der Vergütungsverhandlungen zu den Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit den niedersächsischen Krankenkassen und die hieraus resultierenden Folgen für die niedersächsische Pflegelandschaft, die pflegebedürftigen Menschen und nicht zuletzt auch die Pflege- und Betreuungskräfte in unserem Bundesland in Kenntnis setzen.
In der Konsequenz könnten die alten und kranken Menschen im häuslichen Umfeld damit nicht mehr versorgt werden.
Wie Ihnen bekannt ist, sind alle Pflegeunternehmen gesetzlich verpflichtet, die Vorgaben der so genannten „Tariftreuepflicht“ zu erfüllen. Für weit über 90% der privaten ambulanten Pflegedienste in Niedersachsen bedeutet dies, dass sie zum 01.01.2025 das „regional übliche Entlohnungsniveau“ einzuhalten und umzusetzen haben. In Niedersachsen ist dieses Lohnniveau zum Januar 2025 um 10,45% im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Als Kosten- und Leistungsträger sind die gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen verpflichtet, die hieraus resultierenden Lohn- und Gehaltssteigerungen auch im Bereich der Häuslichen Krankenpflege zu refinanzieren.
Die Gespräche über diese Refinanzierungspflicht und -verantwortung müssen als gescheitert betrachtet werden, da die niedersächsischen Krankenkassen unmissverständlich erklärt haben, dass Ihnen ein Vergütungsangebot oberhalb der Grundlohn-Veränderungsrate aus rechtlichen, aber auch tatsächlichen Gründen nicht möglich sei.
Ein von uns zwischenzeitlich unterbreitetes Kompromissangebot, das eine zeitnahe und einvernehmliche Beendigung der Verhandlungen hätte herbeiführen können, wurde von den niedersächsischen Krankenkassen kurzerhand zurückgewiesen.
Aus Sicht der Kostenträger ist eine Vergütungssteigerung von faktisch 4,0% ausreichend, um die oben genannten Lohnsteigerungen von 10,45% zu refinanzieren.
Diese bundesweit einmalige Argumentation und das hiermit einhergehende Angebot verwundert umso mehr, wenn wir die kompromissfähigen Vergütungsabschlüsse in den angrenzenden Bundesländern betrachten:
Prozentuale Steigerung des regional üblichen Entlohnungsniveaus zum 01.01.2025 | Vergütungssteigerung im Bereich der häuslichen Krankenpflege für Anwender des regional üblichen Entlohnungsniveaus zum 01.01.2025 | |
Schleswig-Holstein | 7,18 % | 7,58 % |
Hamburg | 9,38 % | 8,71 % |
Mecklenburg-Vorpommern | 8,07 % | 10,02 % |
NRW | 9,77 % | 9,33 % |
Hessen | 6,13 % | 7,19 % |
Sachsen-Anhalt | 8,74 % | 8,1 % |
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Niedersachsen | 10,45 % | 4,0 % (Angebot) |
Die Zahlen offenbaren unmissverständlich, dass die niedersächsischen Krankenkassen einen Sonderweg eingeschlagen haben, der sich für die ambulanten Pflegedienste, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Versicherten in Niedersachsen als verheerend darstellt.
Die zahlreichen Alarmstandmeldungen unserer Mitgliedseinrichtungen, die weiterhin hohe Zahl an Betriebsschließungen und der massive Rückgang an Versorgungsleistungen lässt erkennen, wie sehr die Pflegeeinrichtungen mit dem Rücken zur Wand und den Füßen am Abgrund stehen!
Unbegreiflich bleibt für uns, wie in dieser prekären Lage eine angebotene Vergütungssteigerung von 4% eine Lohnsteigerung von 10,45% refinanzieren soll.
Nicht nur, dass hiermit die aktuellen Lohnsteigerungen nicht refinanzierbar sind. Eine solche Umsetzung würde auch den gemeinsam eingeschlagenen Weg, mit dem in den vergangenen Jahren das Vergütungsniveau in der häuslichen Krankenpflege in Niedersachsen merklich und auf ein wirtschaftlich akzeptableres Niveau angehoben wurde, auf einen Schlag zunichtemachen!
Mit Stand heute ist klar, dass für die ambulanten Pflegedienste in Niedersachsen eine ausreichende Refinanzierung der verpflichtend zu zahlenden Lohnkosten auf absehbare Zeit nicht erfolgen wird. Dies wird die wirtschaftliche Not der ambulanten Pflegedienste in Niedersachsen massiv erhöhen und sich zwangsläufig auch auf die Versorgungssituation nicht nur im Bereich der Häuslichen Krankenpflege negativ auswirken!
Mit Bedauern und Unverständnis müssen wir vorerst akzeptieren, dass die niedersächsischen Krankenkassen diesen Kampf auf dem Rücken der ambulanten Pflegedienste und der pflegebedürftigen Menschen im Land austragen! In Ermangelung jeglicher Alternativen werden wir nunmehr den gesetzlich vorgesehenen Weg einschlagen und ein Schiedspersonenverfahren initiieren. Zumindest uns ist hierbei bewusst, dass diese erheblich verzögerte Refinanzierung für schwere Einschnitte in der pflegerischen Versorgung sorgen wird.
Sollten Sie Möglichkeit sehen, auf die aktuelle Situation Einfluss zu nehmen, so ist es jetzt an der Zeit, diese zu ergreifen!
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Herren Minister, im Rahmen der Ihnen obliegenden Rechtsaufsicht, aber auch im Interesse der pflegerischen Versorgung im gesamten Bundesland fordern wir Sie auf, sich für eine schnelle und zielführende Lösung einzusetzen!
Mit freundlichen Grüßen
Timo Stein
APH Arbeitsgemeinschaft Privater Heime und Ambulanter Dienste Bundesverband e.V.
Dr. Nina Fleischmann
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe Nordwest e.V.
Ricarda Hasch
bpa.Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V.
Andreas Kern
Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (bad) e.V.
Petra Schülke
Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V.
Malte Stern
Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege e.V.